Ein Falke fliegt um die Welt
28. Januar 2021
Der Falke in unserem Sitzungszimmer fliegt seit bald einem Jahr regelmässig in andere Länder. Nach einem Jahr Online-Meetings wird es höchste Zeit, die Erschaffer des Vogels vorzustellen: QueenKong.
Seit 2018 nestet ein Vogel im Dobas-Büro. Er ist 5.3 auf 2.3 Meter gross und beflügelt regelmässig unsere Kreativität. Im Zuge der Büro-Erweiterung (hier lesen Sie mehr darüber) zog der Falke einen Stock tiefer und ziert nun die Wand des neuen Sitzungszimmers.
In diesem Raum passiert seit bald einem Jahr Corona-bedingt nicht mehr viel – bis auf Online-Meetings. Nicht nur wir fliegen von dort aus mit Zoom und Co. um die Welt, der Falke begleitet uns still im Hintergrund und landet in mit uns in Home-Offices rund um den Globus.
Nach einem Jahr unzähliger Ausflüge möchten wir Ihnen die Erschaffer des Falken vorstellen: Vero und Marco Schmid alias QueenKong. Das Künstlerduo aus Luzern ist besonders für seine grossflächigen Wandbilder bekannt, die es in zig Ländern gemalt hat.
Zurück auf Feld eins. Wie habt ihr zwei zusammengefunden?
Marco Schmid (MS): Zuerst privat, wir sind seit 2006 ein Liebespaar. 2009 dann kündigten wir beide unsere Festanstellungen und begaben uns auf Kreativreise. Aus dem geplanten Jahr wurden zwei Jahre. Und während unseres Trips begannen wir, gemeinsam zu malen. Das erste Wandbild von QueenKong entstand im New Yorker Stadtteil Queens: eine Frau mit Affenmaske. Das Malen wurde von da an ein immer grösserer Bestandteil unserer Reise und bestimmte auch unsere Route. Wir reisten mit einem Van von Nord- nach Südamerika und malten in den zwei Jahren unterwegs rund 50 Wandbilder. Die Kunst diente uns oft als Währung und wir betrieben mit unseren Werken quasi Tauschhandel.
Vero Schmid (VS): Das Malen war auch ein schöner Weg, zu entdecken, wie wir als kreatives Paar funktionieren. Wo bringen wir uns gegenseitig weiter, wo stehen wir uns im Weg? Zudem ermöglichte es einen Austausch mit der lokalen Bevölkerung, die Leute sehen dich malen und kommen auf dich zu. Das empfanden wir beide als sehr bereichernd.
Wandbilder sind auch nach der Reise ein wichtiges Format geblieben.
VS: Das Grossflächige macht einfach echt Spass! Wir denken gerne gross. Das Wandbild ist aber nur eine unserer Leidenschaften, es gibt noch viele weitere. Wir stellen auch Kleinformate her und tüfteln gerne mit Materialitäten wie auch Techniken. Aktuell malen wir beispielsweise Schnee an.
MS: Man bindet bei Wandbildern den ganzen Körper ein, es ist sehr physisch. Man kann sich total reingeben und reinhängen. Eine schöne Arbeit!
Welches war das aussergewöhnlichste QueenKong-Projekt bisher?
MS: Viele Werke haben auf ihre Art etwas Spezielles. Mir fällt als erstes das Projekt in Stansstad ein. Wir wendeten wir eine neue Technik an und arbeiteten Blattgold in die Fassade der Alterssiedlung Riedsunnä ein. Auch das Hochhaus in Berlin Tegel war aussergewöhnlich, es war mit 50 Metern Höhe unser bisher grösstes Wandbild. Wir arbeiteten 15 volle Arbeitstage an unserer Bildhälfte, verarbeiteten etwa 200 Liter Farbe und leerten zig Sprühdosen. Die linke Bildhälfte gestaltete der Künstler Tankpetrol.
VS: Interessant! Mir fallen ganz andere Projekte ein. Ich denke zum Beispiel an die Werbetafel in der mexikanischen Stadt Guadalajara, die wir bemalen konnten. Sie hing einen Monat in 40 Metern Höhe und war auch in der Nacht beleuchtet. Da denkst du beim Betrachten echt: «Wow!» Ebenso denke ich an das Fussballstadion in Pemba Mosambique, wo wir im Rahmen einer Zusammenarbeit mit einer Luzerner Hilfsorganisation den Haupteingang bemalen durften. Irgendwie scheinen wir Fussballstadien anzuziehen! Wir konnten auch schon in Sursee und St. Pauli in Hamburg eines anmalen.
Wie geht ihr an ein Projekt heran?
VS: Im Falle von Wandbildern, egal ob im öffentlichen Raum oder in einem Innenraum wie dem Büro von Dobas, gehen wir wenn immer möglich vor Ort, um die Vibes zu spüren und die Umgebung anzuschauen.
MS: Nicht, dass wir die Umgebung abbilden wollen, aber wir stellen meist eine Referenz zu ihr her. Mit einer Farbe, mit einer Form, mit dem Inhalt.
VS: Das Schöne am Duo-Sein ist auch, dass man zu zweit mehr Ideen generieren kann. Und wir können für die Umsetzung auf verschiedenste Techniken zurückgreifen. Es kann mal etwas Graphisches sein wie der Regenbogen in Stansstad oder eher illustrativ… Wichtig ist, sich nicht in den Möglichkeiten zu verlieren.
Und wie ist der Falke für Dobas entstanden?
MS: Wir hatten eine «Carte Blanche», völlig freie Hand. Wir trafen natürlich zuerst Patrick Buchecker, um sich mit ihm zu unterhalten und zu verstehen, was Dobas anbietet, wie Dobas arbeitet. Und auch hier: um einen Rahmen zu schaffen und einen Inhalt zu kreieren, der einen Bezug zu seiner Umgebung und so seine Daseinsberechtigung hat.
VS: Der Falke fliegt von Ebene zu Ebene, so wie Dobas in verschiedenen Kulturen und Ländern unterwegs ist.
MS: Verschiedene Welten auch!
VS: Mit Scharfsinn wie ein Falke, mit einem Auge fürs Detail. Am Füsschen trägt der Falke einen Schlüsselanhänger mit einem Herz drauf. Das Herz ist ein wiederkehrendes Symbol in unserer Arbeit und steht bei diesem Werk für unsere Überzeugung, dass man mit Leidenschaft am weitesten kommt. Zwei weitere typische QueenKong-Elemente sind die Maske und das Strickmuster.
Was hat es denn mit diesen beiden Elementen auf sich?
VS: Die Maske hat ihren Ursprung in Mexico, wo wir während unserer Kreativreise Halt machten und einen Luchadore-Kampf besuchten. Eine äusserst faszinierende Angelegenheit!
MS: Es ist eine Art Wrestling. Jeder Kämpfer trägt dabei eine eigene Maske. In den 50er-Jahren gab es eine Luchadore-Legende namens El Santo. El Santo lief auch im privaten Rahmen immer mit der Maske rum, er wurde sogar mit ihr begraben. Er kämpfte gegen die Korruption und für die Schwachen. So wurde El Santo ein gefeierter Volksheld.
VS: Die Maske steht in unseren Werken dafür, dass wir fürs Licht, für etwas Positives kämpfen. Und das Strickmuster entspringt einer Tradition von Marcos Familie: Immer, wenn ein Kind geboren wird, erhält es eine gestrickte Decke. Hier schwingt für uns das Wohlbehütete, das Mütterliche mit. Wir geben einem Motiv mit dem Strickmuster viel Wert.
MS: Wir haben das Strickmuster in Peru das erste Mal bewusst eingesetzt. Beim Lama in Lima.
VS: Wir malen auch sehr gerne und oft Tiere.
Welche Symbole und Narrative sind für eure Kunst sonst noch relevant?
VS: Wir konzentrieren uns bei unserer Kunst oft aufs Positive. Wir malen nicht mit dem erhobenen Mahnfinger. Die schönen Momente und Erinnerungen sollen im Zentrum stehen.
MS: Gerade bei Wandbildern im öffentlichen Raum muss man sich auch damit auseinandersetzen, dass man etwas für die Allgemeinheit schafft und dann weiterzieht. Dieser Tatsache wollen wir auch bei unseren Motiven Rechnung tragen. Ich finde es immer sehr spannend, das Wesen eines Ortes rauszuschälen und die relevanten Themen zu finden.
VS: Es ist auch immer wieder spannend zu erfahren, was die Betrachtenden in einem QueenKong-Bild sehen und welche emotionale Verbindung sie zum Inhalt herstellen. Eine ferne Bekannte von Marco hat sich zum Beispiel unser Wandbild des Himmelrich-Gebäudes in Luzern auf den Arm tätowieren lassen. Sie verbindet eine sehr persönliche Geschichte mit dem Bild. Diesen Raum zur eigenen Interpretation muss man den Leuten auch unbedingt lassen.
Das erwähnte Wandbild existiert mittlerweile nicht mehr, die Siedlung wurde abgerissen. Die Vergänglichkeit eines Werkes ist oft Teil eures Schaffens. Inwiefern beeinflusst diese Tatsache eure Kunst?
MS: Die Endlichkeit bringt auch Vorteile mit sich. Gerade bei Wandbildern, die nur einen bestimmten Zeitraum wirken dürfen, geht man vielleicht mutiger und auch freier dran.
VS: Wir wissen ja in der Regel von Anfang an, wenn etwas abgerissen wird. Klar hängt man trotzdem an einem Werk. Wir nehmen auch von jedem zerstörten Wandbild, falls möglich, ein Stück mit. Die Stücke wollen wir irgendwann wieder zu neuer Kunst verarbeiten. Aber das ist dann eine neue Geschichte!
Wandbild der anderen Art
Nicht nur im Dobas-Büro findet sich ein Wandbild, auch in der von Dobas gestalteten Boutique von 51 East gibt es eines zu bestaunen. Gestaltet wurde es von Textildesignerin Claudia Caviezel. Hier erfahren Sie mehr über das Projekt.