Wie findet man das passende Material?

31. Mai 2022

Uns stehen für ein Shop Design zigtausende Materialien zur Verfügung. Wie findet man bei dieser Auswahl die perfekte Option? Innenarchitektin Deborah Muff erklärt es anhand einer kürzlich fertiggestellten Boutique.

Wenn wir einen Shop, einen Messestand, ein Hotel oder ein Restaurant designen, setzt sich der Gestaltungsprozess aus folgenden Elementen zusammen:

  • Layout: Einteilung der Fläche – Was befindet sich wo?
  • Konzept: Thema des Designs – In welche Richtung geht es?
  • Moodboards: Vermitteln der Atmosphäre – Wie wird das Design/der Raum wirken?
  • Materialboard: Auswahl der Materialien – Welche Materialien nutzen wir?

Bei welchem dieser Schritte die ersten Materialideen entstehen, lässt sich nicht eindeutig zuordnen und hängt auch von den Bedürfnissen unseres Kunden oder unserer Kundin ab. Manche möchten mit einem Objekt zum Beispiel eine konkrete Zielgruppe ansprechen, andere stellen sich eine bestimmte Atmosphäre vor, wieder andere legen den Fokus eher auf Arbeitsabläufe und wünschen sich beispielsweise eine Lounge für Exklusiv-Beratungen (wie in unserem nachfolgenden Veranschaulichungsbeispiel). Jede Anforderung beinflusst unseren Design-Prozess und damit die Materialwahl, gewisse natürlich stärker als andere.  

Obwohl Projektabläufe variieren können, möchte ich anhand eines konkreten Beispiels zeigen, wie der Prozess der Materialwahl aussehen kann.

Ausgangslage: Multibrand-Boutique

Fifty One East beauftragte Dobas mit einem Shop Design und der Ausführungsplanung für eine Multibrand-Boutique:

  • Anzahl Brands: drei, mit individuellen Corporate Identities/Corporate Designs
  • Venue: Doha Festival City Mall
  • Fläche: 112 Quadratmeter, auf einer Ebene
  • Vorgaben: Anzahl Brands, abgesonderter Lounge-Bereich

Wir durften bereits mehrfach mit Fifty One East zusammenarbeiten und entwickelten für den Luxury-Retail-Anbieter unter anderem eine Boutique in der Lagoona Mall Doha (mehr dazu lesen Sie hier).

Layouts, Konzepte und Moodboards

Ich gestaltete drei Layout-Vorschläge und spielte dabei mit verschiedenen Formen, die schon eine Stossrichtung für Materialien deutlich machten und die Konzepte für die Multibrand-Boutique prägten. Drei der eingangs genannten Elemente – Layout, Konzept und Moodboard – griffen bei diesem Projekt schnell ineinander und sind nur schwer in eine eindeutige chronologische Ordnung zu bringen.

  • Konzept 1: rund, fliessend, weich, transparent, Licht und Schatten
  • Konzept 2: eckig, Diamant, Waben, geometrisch, blau, gold und kupfern
  • Konzept 3: diagonal, offen, geradlinig, feine Strukturen, Details

Die Moodboards dieses Projekts leben bereits stark von Materialien. Das verändert sich von Projekt zu Projekt. Manche Kund*innen möchten sobald als möglich Einblick in Materialwelten erhalten, manche bevorzugen Moodboards, die eher die Atmosphäre des gesamten Raumes aufgreifen.

Die Materialien für diese Moodboards stellte ich mithilfe einer Internet-Recherche zusammen. Es waren erste Ideen und Richtungen, zu diesem Zeitpunkt war noch alles offen. Die Wirkung der Materialien stand im Vordergrund, Eignung und Eigenschaften wurden erst später aufgegriffen und geprüft.

Weiterentwicklung und Materialwahl

Nach der Präsentation meiner drei Konzeptideen entwickelte ich das finale Shop-Design. Unser Kunde begeisterte sich insbesondere für die Materialien und Strukturen des zweiten Konzepts und für die diagonale Achse des dritten Konzepts. So flossen diese Features in einen neuen Vorschlag.

Mit diesem Schritt wurden auch die Materialien konkreter, wir befanden uns aber nach wie vor in einer Findungsphase. Das Material- und Farb-Konzept (siehe Slider unten) enthält jedoch bereits Elemente, die weiterverfolgt und schliesslich umgesetzt wurden. Dazu gehören zum Beispiel die Sechseck-Struktur und der Farbverlauf.

Als nächstes wählte ich die finalen Materialien aus und erstellte zwei Materialboards: eines für den Retail-Bereich und eines für den Lounge-Bereich. Bei der Festlegung der Materialien spielen jeweils verschiedene Faktoren eine entscheidende Rolle. Nebst der Ästhetik müssen zum Beispiel der Kostenrahmen und Sicherheitsanforderungen wie Brandschutz berücksichtigt werden. 

Um die richtigen Materialien für die Multibrand-Boutique von Fifty One East zu finden, nutzte ich drei Quellen: 

  • Sample-Bibliothek in unserem Büro: Hier kann ich mehrere hundert Materialien von zig Hersteller*innen durchstöbern. 
  • Hersteller*innen: Für manche Materialien erkundigte ich mich direkt bei Hersteller*innen nach passenden Optionen.
  • Produzent*innen: Nicht jedes Material gibt es «ab Stange», die Gitter-Verkleidung mit den gelaserten Sechseck-Formen zum Beispiel ist eine Kreation für diese Boutique. Dafür klärte ich mit unserem Metall-Produzenten des Vertrauens ab, wie die Idee optimal umgesetzt werden kann.

Mit den ausgewählten Materialien wurden anschliessend Renderings, also Visualisierungen, erstellt (im Slider oben zu sehen). Renderings helfen einerseits dabei, sich ein Bild der Boutique zu machen. Andererseits funktionieren sie als Kontroll-Tool: Wir können in Renderings verschiedene Lichtsituationen simulieren und sicherstellen, dass die Kombination der Materialien und Farben unseren Vorstellungen und Anforderungen entspricht.

Weitere Inspirationsquellen

Die Möglichkeiten für die Materialrecherche sind nicht zuletzt dank des Internets ins schier Unendliche gewachsen. Es gibt Anbieter wie raumprobe.com oder Material ConneXion. Im Schweizerischen Netzwerk Material-Archiv haben sich zehn Sammlungen verschiedener Institutionen zu einer digitalen Bibliothek verbunden. Auf Pinterest und Architonic findet man ebenfalls Inspiration. Und und und.

Natürlich gibt es auch in der analogen Welt Orte, wo man durch Materialien schmökern kann. Zum Beispiel in der Schweizer Baumuster-Centrale Zürich. Hochschulen unterhalten ebenfalls oft Materialbibliotheken, unter anderem die Hochschule Luzern – Technik & Architektur. Beide Beispiele sind auch Teil des digitalen Material-Archivs.

Umsetzung der Boutique

Nach dem Finalisieren des Shop Designs reichte ich alle Unterlagen an meine Kolleg*innen der Planer-Abteilung weiter. Sie kümmerten sich um die Ausführungsplanung, die Fifty One East für die Umsetzung mit eigenen Partner*innen erhielt. Im Frühjahr 2022 wurde die Boutique in der Doha Festival City Mall fertiggestellt.

So sieht das Live-Ergebnis in Doha aus.

So sieht das Live-Ergebnis in Doha aus.

Reinigung mitdenken

Die Reinigung und Pflege muss bei der Materialwahl ebenfalls mitgedacht werden, sonst läuft man Gefahr, dass die Inneneinrichtung bald ihren Glanz verliert. Meine Kollegin Verena Zaugg erzählt in diesem Blog mehr darüber.

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