Stoff für Fashion- und Interior-Träume

27. September 2022

Wir waren bei der St. Galler Traditionsfirma Jakob Schlaepfer zu Besuch, die exklusive Stoffe für Fashionbrands wie Céline und Rami Kadi produziert. Auch Textilien und Tapeten für den Interior-Bereich gehören zum Sortiment. 

Viele Regionen in der Schweiz blicken auf eine Jahrhunderte lange Handwerkstradition zurück, manche der Tätigkeiten sind bis heute von grosser gesellschaftlicher und ökonomischer Bedeutung. Die Uhrmacherkunst der Westschweiz zählt gewiss zu den bekanntesten Beispielen. Brands wie Rolex, Patek Philippe, Omega und Audemars Piguet sind in der Schweiz zuhause. Auf der gegenüberliegenden Seite des Landes war und ist das Textilhandwerk prägend.
 

Weisses Gold

In St. Gallen zählte die Leinwandproduktion bis ins 18. Jahrhundert zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen. Als «Weisses Gold» gingen die Leinwände in die Textilgeschichte ein. Später erlangten St. Galler Stickereiprodukte Weltberühmtheit, um 1910 stammte über die Hälfte der weltweiten Produktion aus der Ostschweiz. Die Hochblüte dieses Handwerks ist seit dem Ersten Weltkrieg vorbei, nichtsdestrotrotz zählt die Stadt bis heute zu einem relevanten Dreh- und Angelpunkt in der Textilbranche.

Auch die Firma Jakob Schlaepfer startete 1905 als Stickereibetrieb. Heute geniesst sie einen exzellenten internationalen Ruf bei Modeschöpfer*innen sowie (Innen-)Architekt*innen und ist insbesondere für spektakuläre Stoffentwicklungen bekannt. «Im Fashion-Bereich kreieren wir vier Kollektionen pro Jahr», erklärt Kristina Ivanova bei einem Besuch in St. Gallen, «mit den kundenspezifischen Entwicklungen sind es vom Volumen her sechs.» Die Leiterin Sales startete bei Jakob Schlaepfer ursprünglich als Verkaufsmanagerin für den Fashion-Bereich, mittlerweile betreut sie auch das noch relativ junge Interior-Segment.

Das Sahnehäubchen auf der Torte

In Kristinas Büro hängen zig Musterlaschen aus dem Bereich Interior, sie steht während des Gesprächs immer wieder auf und präsentiert ein Produkt. «Unsere Stoffe sind speziell und entsprechend nicht für jede*n gemacht», erklärt die 31-Jährige, «ich sage immer, sie sind das Sahnehäubchen auf der Torte.» Sie würden zum Beispiel für Zierkissen, die Polsterung von Sitzmöbeln und natürlich auch als Vorhänge genutzt. «Viele der Entwicklungen sind so einzigartig und opulent, du könntest sie im Grunde als Kunstobjekt aufhängen.»

Im Interior-Bereich entwickelt Jakob Schlaepfer jährlich eine Kollektion mit fünf bis zehn Stoffen sowie fünf bis acht Tapeten-Dessins. Tapeten aus der St. Galler Traditionsfirma waren zum Beispiel Teil der Wechselausstellung «Auf der Suche nach dem Stil» im Landesmuseum Zürich (Dobas gestaltete übrigens den Museumsshop der Institution, mehr zu diesem Projekt lesen Sie hier). Die Stoffe hingegen werden hauptsächlich im Privatbereich eingesetzt, einerseits aus Kostengründen, andererseits aufgrund ihrer Entflammbarkeit. «In kleinen Volumen und punktuell, beispielsweise für einen Hocker, lassen sich die Stoffe aber auch im kommerziellen Bereich nutzen», fügt Kristina an.
 

Das Who’s Who der Modebranche

Am Tag unseres Besuchs ist auch ein namhafter französischer Haute Couturier im Haus. Das ist für das Schlaepfer-Team nichts Aussergewöhnliches, Modeschöpfer*innen aus der ganzen Welt zählen auf die Expertise und Innovationsstärke des Unternehmens: Marc Jacobs, Céline, Giambattista Valli, Rami Kadi und viele mehr.

«Egal, ob Fashion oder Interior, wir wollen eine Inspiration für den Markt sein, wir wollen Tradition und Technologie verbinden», führt die Verkaufsleiterin aus. Auf die Frage, wie Innovation aufrecht erhalten wird, vor allem in einem so engen Bereich wie Interior, antwortet Kristina: «Innovation muss nicht immer total verrückt aussehen. Jakob Schlaepfer ist unter anderem für Pailettenstoffe bekannt, wir entwickeln dieses Erbe immer weiter, bereits kleine Twists können durchaus innovativ sein.»
 

3D und Nachhaltigkeit

Nach einem Gespräch in der Sales-Etage geht’s noch einen Stock höher ins Jakob Schlaepfer Atelier, wo das Kreativteam wirkt. Hier wird am Computer und an Büsten gearbeitet, hier reihen sich Stoffsamples und Moodboards meterlang aneinander, hier trifft die Unternehmenshistorie auf eine Fachbibliothek mit unzähligen Werken. Diese Räume verantwortet Moritz Ahrens-Pohle als Studio Manager, er stiess 2018 zur Firma. 

Wir wagen mit Kristina und ihm zum Schluss des Gesprächs einen Blick in die Zukunft und fragen nach den künftigen Game-Changern der Textilindustrie. Während die Verkaufsleiterin annimmt, dass der 3D-Druck die Branche noch beeinflussen wird, nennt Moritz die Nachhaltigkeit: «Das Thema bewegt uns schon seit Jahren. Mit der Entwicklung von Folie aus recyceltem Polyester, die unter anderem für unsere Pailetten benutzt wird, machen wir einen grossen Schritt in die richtige Richtung.» 
 

Kristina ergänzt, dass die hohe Qualität der Schlaepfer-Produkte ebenfalls auf die Nachhaltigkeit einzahle. «Unsere Stoffe halten sich mehrere Jahre, hoffentlich sogar über Generationen.» Durch die Personalisierbarkeit der Stoffe und Tapeten – jede Position lässt sich vollständig nach individuellen Wünschen anpassen – gibt’s bei der St. Galler Firma auch kein Lager mit sogenanntem Deadstock, denn nur wenige Kund*innen kaufen direkt ab Stange. Moritz ergänzt: «Ich sage immer, unsere Kollektionen sind wie eine Toolbox, deren Elemente nach Belieben kombiniert werden können.» 

Die kleinen Produktionsmengen wiederum erschweren die nachhaltige Beschaffung, weil Zulieferer bei nachhaltigen Produkten oftmals wesentlich höhere Mindestbestellmengen fordern. Es sei noch ein langer und zweifelsohne kein leichter Weg zu einer nachhaltigen Textilbranche, resümiert Moritz. «Wir müssen alle bereit sein, die bekannten Zyklen anzupassen und uns von der Schnelllebigkeit zu verabschieden.»

Apropos Textildesign

Für Fifty One East konzipierte, plante und realisierte Dobas eine 1000m2 grosse Boutique in Katar. In Zusammenarbeit mit der Schweizer Textildesignerin Claudia Caviezel entstanden blühende Wandelemente. Hier erhalten Sie Projekteinblicke

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