20. Februar 2025
Die unterschätzte Wirkung der Farbe in der Innenarchitektur
Farben in der Innenarchitektur entfalten eine oft verkannte Wirkung. Sie formen Räume, lenken Blicke und beeinflussen unser Wohlbefinden. Lies mehr darüber, wie gezielte Farbgebung das Raumerlebnis transformiert.
Autorin
Isabelle D'Angelo
Die verborgene Komplexität der Farbwelt
Als Innenarchitektin erlebe ich oft, dass Farben als gestaltungs- und raumbeeinflussende Elemente unterschätzt werden. Viele scheuen vor mutigen Farbkonzepten zurück, sei es aus Unsicherheit oder aus Furcht vor Fehlgriffen. Dabei offenbart sich bei näherer Betrachtung eine faszinierende Komplexität: Das menschliche Auge kann laut der Universität Mannheim etwa 200 Farbtöne unterscheiden, jeder davon in 500 Helligkeitsstufen. Rechnet man Aufhellungen durch Weissanteile hinzu, ergibt sich die beeindruckende Summe von rund 20 Millionen Farben. Diese Vielfalt erklärt die häufige Verunsicherung, birgt aber auch ein enormes kreatives Potenzial.
Farbe ist nicht gleich bunt
Ein weitverbreitetes Missverständnis ist die Gleichsetzung von Farbe mit Buntheit. Tatsächlich bezeichnet «bunt» Farbtöne mit hoher Sättigung. Die Kraft der Farbe liegt oft im subtilen Zusammenspiel feiner Nuancen, die auf den ersten Blick kaum wahrnehmbar sind, aber eine tiefgreifende Wirkung entfalten. Eine fein abgetönte Wand zum Beispiel lässt farbige Kunstwerke intensiver erscheinen als weisse Wände – ein Grund, warum viele Galerien und Museen auf graue Wände setzen.
Das renommierte Natural Color System® (NCS) hat seine Palette kürzlich um 100 neue Töne mit geringem Buntanteil erweitert. Diese subtilen Farbnuancen erfreuen sich derzeit grosser Beliebtheit in der Innenarchitektur, da sie vielfältige Möglichkeiten für raffinierte und zeitgemässe Farbkonzepte bieten. Die Erweiterung unterstreicht den wachsenden Trend zu Farbtönen, die Räumen Tiefe und Charakter verleihen, ohne dabei aufdringlich zu wirken.
Strategischer Einsatz von Farbe
Richtig eingesetzt sind Farben weit mehr als dekorative Elemente. Sie wecken Emotionen, schaffen Atmosphären und können sogar unser Verhalten beeinflussen. Ob als sanfte Nuance oder knalliger Akzent – der Schlüssel zum Erfolg liegt in der klaren Zieldefinition für den Raum oder das Erlebnis. Diese Klarheit bildet das Fundament für alle weiteren Entscheidungen. Essenziell ist dabei, Farben von Beginn eines jeden Innenarchitektur-Projekts als integralen Bestandteil mitzudenken.
Farben bieten ausserdem hervorragende Möglichkeiten für eine visuelle Auffrischung, ohne eine komplette Renovation vorzunehmen. Durch einfache Massnahmen wie das Neustreichen von Wänden oder den Wechsel von Polsterfarben lässt sich im Handumdrehen eine völlig neue Raumatmosphäre schaffen. Solche flexiblen Farbinterventionen ermöglichen es, Räume effizient und kostengünstig zu transformieren.
Farbzonen, Kontraste und Kaschierern
Gezielte Farbsetzung kann Räume zonieren und Einheiten schaffen. Die Verbindung einzelner Wände durch Farbe erzeugt Grosszügigkeit. Für Klarheit in weitläufigen, lichtdurchfluteten Räumen eignen sich Kontraste – sei es hell-dunkel, kalt-warm, Farbkontraste oder Qualitätskontraste (Sättigungsgrad). Sie schaffen Orientierung und Ordnung.
Farben können auch unschöne Bereiche oder bauliche Substanzen kaschieren. Dunkle Farben lassen Elemente optisch zurücktreten und schaffen Tiefe, während helle Töne betonen und den Blick lenken. Interessanterweise gilt Weiss, oft als sicherer Wert betrachtet, keineswegs als neutral, sondern als dominant. Es kann unbeabsichtigt Dinge hervorheben, die besser im Hintergrund blieben.
Das Zusammenspiel von Farbe, Licht und Material
Ein gelungenes Farbkonzept entsteht nicht isoliert, sondern im Zusammenspiel mit Licht und Materialien. Warmes Holz lässt sich beispielsweise exzellent mit kühlen Farbtönen kombinieren, um faszinierende Kontraste zu erzielen. Farbtöne können bestehende Materialien unterstützen, entschleunigen oder kontrastieren.
Das Lichtkonzept spielt eine entscheidende Rolle und sollte unbedingt mit Fachplaner:innen auf die gewählten Farben abgestimmt werden. Besondere Vorsicht ist bei der Verwendung von Gelb geboten: Es benötigt viel natürliches Licht, um seine volle Wirkung zu entfalten. Als Faustregel gilt: Helle und grelle Farben ins Licht, Schattenfarben in den Schatten.
Die Qualität des Lichts ist ebenso wichtig. Der Farbwiedergabeindex (engl. Color Rendering Index CRI) einer Lichtquelle gibt Auskunft über ihre Fähigkeit, Farben natürlich wiederzugeben. Für eine optimale Farbwiedergabe sollte man Lichtquellen mit einem CRI-Wert über 90, idealerweise über 95, wählen (mehr über das Thema Lichtdesign erfahren Sie in diesem Beitrag von Stefan Baumeler).
Farben und ihr Einfluss auf unser Verhalten
Die Wirkung von Farben geht über das rein Visuelle hinaus. Ähnlich wie bei der Akustik können Farben unser Unterbewusstsein und sogar unser Verhalten beeinflussen. Im Bereich der Gastronomie etwa kann die Farbe des Geschirrs appetitanregend oder -hemmend wirken. Warme, feine Farben sollen den Appetit anregen, während kühle blaue Töne entschleunigen und zu langsamerer Nahrungsaufnahme führen können.
Ein grosser Kontrast zwischen Geschirrfarbe und Speise kann sich ebenfalls auf das Essverhalten auswirken. Tendenziell essen wir weniger, wenn das Gericht durch einen starken Kontrast interessanter und farbiger erscheint.
Ein Plädoyer für mutige Farbkonzepte
Die Wirkung und damit auch Macht der Farbe in der Innenarchitektur ist nicht zu unterschätzen. Von der subtilen Nuancierung bis zum mutigen Statement – Farben sind ein unverzichtbares Werkzeug für Innenarchitekt:innen. Sie erfordern sorgfältige Planung und ein tiefes Verständnis ihrer Wirkung, bieten aber unerschöpfliche Möglichkeiten, Räume zu transformieren und Emotionen zu wecken.
Anmerkung: Die Originalversion dieses Artikels wurde in der htr hotelrevue Ausgabe Dezember 2024 veröffentlicht.
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Isabelle D'Angelo
Innenarchitektin
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